Brauchen wir mehr Zeit oder mehr Bewusstsein für Zeit?
Wie verbringst du deine Zwischenzeiten? Nein, ich meine jetzt nicht deine vorbestimmten Pausen. Ich meine diese ganz kurzen, kaum spürbaren alltäglichen Zwischenzeiten. Diese, die es jeden Tag in deinem Leben gibt und die dich einladen, innezuhalten. Kennst du sie? Es gibt ganz viele von ihnen, immer wieder. Jeden Tag.
Darf ich dir ein paar Beispiele geben? Also:
- Du entscheidest dich für eine Fahrt mit dem öffentlichen Verkehr. Du bist 4 Minuten früher an der Haltestelle.
- Du stehst an der roten Ampel. Als Fussgänger oder Autofahrer, völlig egal. Hier kommt mindestens 1 Minute Zeit zusammen.
- Du bereitest ein fantastisches Abendessen für liebe Freunde vor, bist rechtzeitig mit allem fertig und läufst dann aufgeregt von Fenster zur Tür und kannst es kaum erwarten, deine Gäste in Empfang zu nehmen. Es vergehen mindestens 8 Minuten.
- Du kochst pünktlich auf 12 Uhr das Mittagessen für dein/e Kind/er. Die Kinder haben so viel zu entdecken auf ihrem Heimweg vom Kindergarten oder Schule, dass es schon einmal etwas länger dauern kann. Hier kann es bestenfalls eine grössere Zwischenzeit für dich geben.
- Du hast einen Arzttermin und wirst gebeten, kurz im Wartezimmer Platz zu nehmen. Zwischenzeit: mindestens 5 Minuten.
Ein Beispiel von mir möchte ich dir gern auch noch erzählen. Das ist mir dieser Tage passiert und ging etwa so:
“Ich habe Zeit für mich, ein Tag frei. Ich habe nichts Grosses vor und entscheide mich, mein Mittagessen noch zu Hause zu nehmen, bevor ich rausgehe, um den Sommer zu geniessen. Gemüse rüsten und ab damit in den Ofen. Dauer: 30 Minuten.
Und jetzt? Genug Zeit für den Abwasch, der noch steht. Währenddessen schaue ich aus dem Fenster. Mein Blick kommt nicht bis hinaus zum Blumenbeet, sondern bleibt an sandigen Regentropfen hängen, die mir der Saharastaub von vor einiger Zeit zurückgelassen hat. Mh, ganz schön schmutzig hier, redet jemand in meinem Kopf. Aber: kein Problem. Ich habe ja noch 20 Minuten Zeit bis mein Ofen piepst, das schaffe ich. Auf dem Weg zum Putzzeug fällt mir auf, dass der Korb für den Keller überquillt. Nehme ich gleich noch mit. Als ich diesen abstelle, steht mein Hund vor mir und bettelt um sein tägliches Leckerli. Natürlich, das muss sein! Aber sag mal, wann wurde denn in der Hundeecke eigentlich das letzte Mal gesaugt? Wenn ich hier schon direkt dabei bin, sauge ich doch am besten diese Ecke geschwind durch.
Gesagt getan. Staubsauger an, Ecke ausgesaugt. Übervoller Korb mit unzähligen Krimskrams von allen Mitbewohnern im Handumdrehen an Ort und Stelle verteilt. Fenster- Putzutensilien hervorgekramt und sauseschnell in den letzten 8 Minuten das Küchenfenster geputzt. Yes, geschafft. Das war gut!”
Mein Ofengemüse dampft heiss vor mir auf dem Tisch und ich frage mich, warum ich an einem heissen Sommertag keinen Salat gemacht habe. Ich bin etwas ausser Atem, mir ist unangenehm heiss, ich fühle mich gehetzt. Von mir selbst oder der Stimme in meinem Kopf? Vielleicht war das auch nur reine Gewohnheit. In der Zwischenzeit schnell mal noch Abwaschen, Aufräumen, Hund versorgen, Staubsaugen und Fensterputzen.
Kennst du solche Situationen? Eine Verkettung von Dingen?
In jedem Fall war es eine kostbare Zwischenzeit, die ich mit “Aus dem Fenster schauen” oder Nichtstun hätte geniessen können. Und mir fallen noch so viele weitere gute Dinge aus der Achtsamkeitspraxis ein, mit denen ich mir diese Zwischenzeit hätte versüssen können. Ich dachte, in der Zwischenzeit weiss ich das alles schon? Naja, Niemand weiss alles, das ist mal klar! ;-)
Wenn wir unsere täglichen, ganz kurzen und auch längeren Zwischenzeiten aufrechnen, haben wir viel Zeit für uns. Zeit für Selbstsorge und Momente für totales Nichtstun. Hast du Lust das einmal auszuprobieren?
Ich wünsche dir viele Zwischenzeiten dafür. Alles Liebe!
Ines